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Informationen, Wissenwertes, Termine, SchulungenHäusliche Gewalt

Angriffe, Demütigungen, Angst in den eigenen vier Wänden.
Dort, wo man sich doch eigentlich am sichersten fühlen sollte. Am letzten Zufluchtsort. Was für eine schreckliche Vorstellung! So schrecklich, dass man lieber nicht hinsieht, sollte es einem anderen geschehen. So grauenhaft, dass man es vielleicht noch nicht einmal wahrhaben will, wenn es einen selbst betrifft. Vielleicht habe ich mir das ja nur eingebildet? Oder war ich – falls ich die Aggressionen nicht mehr verdrängen kann – etwa selbst schuld? Sicher wird alles wieder gut werden. Wenn ich mich verändere, wenn ich den anderen verstehe, wenn sich die Umstände bessern…
Was nicht sein darf, das kann nicht sein.
Das wünschen wir uns und stecken den Kopf wie ein Vogel Strauß in den Sand. Und doch ist es die grausame Realität: Nicht nur in fernen Ländern wie Afghanistan oder Jordanien, wo etwa 90 Prozent der Menschen häusliche Gewalt sogar akzeptieren, Nein. Hier. Direkt vor unserer Haustür. Nach einer Auswertung des Bundeskriminalamtes gab es im Jahr 2019 mehr als 141.000 Opfer von häuslicher Gewalt – 81 Prozent davon waren Frauen. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Die Dunkelziffer, die Anzahl derer, die sich „zufällig an einer Türklinke gestoßen haben“ oder deren Partner oder Partnerin ihre Beleidigungen und Beschimpfungen „ja eigentlich gar nicht so meint“ – die Anzahl all jener Gewalttaten, die gar nicht erst zur Anzeige kommen, dürfte weit höher liegen. Im Klartext: Von weniger als sechshundert Einwohnern oder Einwohnerinnen Deutschlands erleidet mindestens eine Person Gewalt in ihrem privaten Umfeld. Und nun stellen Sie sich das bitte einmal bildlich die Häuser in Ihrer Nachbarschaft vor: Hinter wie vielen Fenstern spielt sich gerade ein unvorstellbares Drama ab?
Das Perfide an der häuslichen Gewalt ist ihre Unauffälligkeit.
Man sieht sie nicht. Die äußerlichen Spuren lassen sich oft verstecken. Die seelischen Wunden erkennt man, wenn überhaupt, erst, wenn das Opfer psychisch schon nicht mehr kann. Umso wichtiger ist es, immer wieder eine Bewusstheit darüber zu schaffen, dass häusliche Gewalt, das heißt Partnerschaftsgewalt und Gewalt an Kindern, Teil unserer Realität ist. Und dass es nichts Schlimmeres gibt, als dies zu ignorieren.
Welche Handlungen fallen unter den Begriff der häuslichen Gewalt?
Eine mögliche Definition häuslicher Gewalt gibt die Juristin A. Büchler: Danach ist dies „jede Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität einer Person, die unter Ausnutzung eines Machtverhältnisses durch die strukturell stärkere Person zugefügt wird“.
Das heißt: JEDE Tat Ihres Partners, Ihrer Partnerin oder anderer Familienangehöriger, die Sie psychisch oder physisch verletzt, Ihren Willen zu brechen versucht, Sie zu einer Handlung bringen möchte, die Sie selbstbestimmt nicht ausführen würden, Ihnen Angst macht… Jede dieser Aggressionen ist häusliche Gewalt. Ist strafrechtlich oder ethisch ein Verbrechen gegen Ihre Person.
Man unterscheidet verschiedene Formen häuslicher Gewalt. Zu den körperlichen Aggressionen gehören tätliche Angriffe wie
• Schlagen,
• Stoßen,
• Würgen,
• Schütteln,
• Beißen oder
• mit Gegenständen werfen.
Doch meist ist das schon eine Eskalationsstufe. In der Regel gehen körperlichen Angriffen psychische Attacken voraus, die vom Opfer bagatellisiert und von Außenstehenden gar nicht erst als Gewalt wahrgenommen werden. Dazu gehören unter anderem:
• Abwertungen,
• Manipulation,
• Einschüchterung,
• Verbote,
• Kontrolle und Bespitzelung von Sozialkontakten,
• Nötigung,
• Drohungen,
• Demütigungen,
• Stalking oder
• Freiheitsberaubung.
Passivere Formen der Gewalt, wie das Beschränken von Sozialkontakten / Isolieren des Opfers oder das sogenannte „Silent Treatment“, das aggressive Schweigen und die Verhinderung eines konstruktiven Austauschs, sind noch schwerer als das auszumachen, was sie sind: Angriffe auf Ihre Person.
Und schließlich gibt es noch die sexuellen Übergriffe, denen Frauen – aber auch Männer – in den eigenen vier Wänden ausgeliefert sind. Und nein! Dabei handelt es sich ganz sicher nicht um ein Missverständnis oder ein Spiel. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gilt auch in der Partnerschaft. Es muss auch nicht erst die Vergewaltigung sein. Schon sexuelle Nötigung ist eindeutig Gewalt, der Einhalt geboten werden muss.
Wussten Sie eigentlich, dass auch wirtschaftliche Gewalt eine Form ist, mit der der Täter oder die Täterin versucht, Ihre Persönlichkeit zu verletzen oder zu zerstören? Müssen Sie sich für jede Ausgabe detailliert rechtfertigen? Enthält Ihnen Ihr Partner finanzielle Mittel vor? Dann handelt es sich auch hier um häusliche Aggression, die, glücklicherweise, nach und nach stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gerät. Auch hier gilt: Sie müssen das nicht mit sich machen lassen!
Was können Sie tun?
Suchen Sie sich unbedingt Hilfe, wenn Sie von häuslicher Gewalt betroffen sind. Ertragen Sie die Angriffe nicht schweigend oder hoffen Sie auf Besserung. Die Erfahrung zeigt: Das wird nicht geschehen. In der Dynamik zwischen Täter und Opfer wird es Ihnen immer schlechter ergehen. Und irgendwann werden aus seelischen Angriffen körperliche, aus einem leichten Schubser eine Faust im Gesicht. 2019 starben 117 Frauen und 32 Männer von der Hand ihres Partners.
Handeln Sie rechtzeitig. Und damit meine ich nicht die Konfrontation mit dem gewalttätigen Partner. Suchen Sie sich externe Hilfe. Das kann ein Ansprechpartner bei der Polizei sein, eine Frauenberatungsstelle, ein Arzt. Ich persönlich würde Ihnen immer zu einer Person raten, die sich außerhalb Ihres privaten Umfeldes befindet. Die unparteiisch auf die Geschehnisse blickt und um deren Verschwiegenheit Sie sich nicht zu sorgen brauchen.
Als psychologische Beraterin stehe auch ich Ihnen gern zur Seite. Gemeinsam beraten wir, welche Schritte in Ihrer Situation die richtigen sein werden. Einen Überblick über die Hilfestellungen, die ich Ihnen geben kann, finden Sie hier
Herzlichst, Ihre Gelinde Grunt.
[2]Häusliche Gewalt nimmt weiter zu (bundesregierung.de)
[3]Andrea Büchler: Gewalt in Ehe und Partnerschaft – Polizei-, straf- und zivilrechtliche Interventionen am Beispiel des Kantons Basel-Stadt, Basilea/Ginevra/München 1998
[4]Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt in Deutschland steigt an (saarbruecker-zeitung.de)